Interview mit André Fläckel

Lagardère Sports and Entertainment ist den meisten Lesern ein Begriff, gleichwohl seid ihr im eSport-Umfeld erst seit kurzer Zeit bekannt. Was macht Lagardère S&E im traditionellen Sport und wie sieht euer Portfolio im eSport aus?

AF: Lagardère Sports & Entertainment ist eines der größten Sportmarketing Unternehmen der Welt mit ca.1600 Mitarbeitern, davon rund 500 in Deutschland und Vertretungen in vielen großen Metropolen weltweit.
Unser Geschäft basiert im Wesentlichen auf 3 zentralen Bereichen:

  • Vermarktung von Werbe-und Hospitalityrechten
  • Produktion und Distribution von Medienrechten
  • Beratung von Unternehmen bei ihren Aktivitäten in Sport

Zu unseren Partnern zählen unter anderem die UEFA, der DFB und das IOC. Darüber hinaus verantworten wir die Gesamtvermarktung von  Vereinen wie Borussia Dortmund, Hertha BSC oder Eintracht Frankfurt, vom HSV und FC St. Pauli hier in Hamburg, betreuen aber auch Spitzensportler wie Caroline Wozniacki oder den amerikanischen Golf Superstar Jordan Spieth.
Seit ca. einem Jahr beschäftigen wir uns innerhalb unserer europäischen Business Development Division intensiv mit dem Thema eSports. Im Januar 2017 haben wir unser erstes Vermarktungsmandat mit dem LCS Team Unicorns of Love abgeschlossen. Kurz darauf folgten Team ROCCAT und die aktuelle Nummer 1 der Weltrangliste in CS:GO (Counter-Strike) SK Gaming. Lagardère Sports hat mittlerweile ein Team von sechs Mitarbeitern aufgebaut, die sich ausschließlich um das eSports Business kümmern. Hier profitieren wir von unseren jahrelangen Erfahrungen in der Gesamtvermarktung von Fußballvereinen. Dieses erfolgreiche Modell wenden wir auch für unsere Teampartnerschaften an. Des Weiteren unterstützen und begleiten wir Unternehmen bei ihrem Einstieg in das  eSports Business. Dabei stellen wir fest, dass es kaum mehr einen Marketingverantwortlichen gibt, der sich nicht mit den Opportunitäten im eSports beschäftigt.

Hinter Dir liegt ein spannendes Wochenende. Eure Partner SK Gaming und Unicorns of Love konnten in großen Turnieren, eins davon in Köln, Erfolge erzielen. Wie wichtig ist es aus deiner Sicht, dass Marken, Sponsoren und Investoren eSport-Events live erleben?

AF: Mit den LCS Rift Rival Event in Berlin und der ESL One Köln kamen wir in den Genuss von gleich zwei fantastischen eSports Events. Dass unsere Partnerteams SK Gaming und Unicorns darüber hinaus noch den 1. und 2. Platz belegen konnten, hat uns natürlich auch sehr gefreut. Live Events sind ein wesentlicher Bestandteil dessen, was uns an Sport fasziniert. Das ist im eSports nicht anders, wie die rasant ausverkauften und über mehrere Tage hinweg gefüllte Hallen zeigen. Das internationale Publikum, das sich sonst „nur“ online austauscht, hat natürlich das Bedürfnis ihren Stars und Lieblingsteams live zuzujubeln.Die Begeisterung und Atmosphäre in den Arenen ist spürbar und ansteckend. Darüber hinaus finde ich es faszinierend, welche enormen Entfernungen Fans teilweise auf sich nehmen um Teil der Live-Events zu sein. In Köln habe ich mit ein paar Fans gesprochen, die extra aus den USA angereist sind. Marken, Sponsoren und Investoren in der Industrie müssen nicht selbst eine emotionale Beziehung zum eSports aufbauen und die Spiele auch nicht mögen. Sie sollten die Entwicklung aber nicht unterschätzen und erst recht nicht ignorieren. Live Events sind eine hervorragende Möglichkeit in die Welt des eSports einzutauchen und sich als Marke zu präsentieren

Unicorns of Love ist im Spiel League of Legends aktiv. Als ersten Partner konntet ihr in Gerolsteiner einen nicht-endemischen Partner mit den Unicorns verknüpfen. Geht es dabei lediglich darum den Finger ins Wasser zu halten oder ist es eine gelebte Partnerschaft?

AF: Zuallererst möchte ich dich bitten 3€ ins Phrasenschwein zu werfen für „Finger ins Wasser zu halten“. Spaß beiseite. (Antwort DL: Im eSport machen wir das anders, 3 Euro fließen gleich in CS:GO-Sticker von SK Gaming)
Natürlich sind wir sehr froh als ersten Partner eine so tolle Marke wie Gerolsteiner mit den Unicorns of Love verknüpft zu haben. Unser Dank geht hier auch an die Kollegen um ehemaligen eSports Profi und Kommentar Dennis Gehlen und seinen Kollegen von Strafejump die maßgeblich mitgewirkt haben.

Auftakt der Partnerschaft war eine Video-Content Kampagne im Rahmen der IEM in Katowice. Darüber hinaus ist Gerolsteiner auf dem rechten Trikotärmel der Unicorns präsent. In den letzten Monaten haben wir zusätzlich immer wieder Gerolsteiner in die Kommunikation der Unicorns, insbesondere auf den Social Media Kanälen, eingebunden. Wir probieren viele Sachen aus und werden jeden Tag besser. Wir wollen vermeiden, dass die Werbung von den Fans als Störfaktor wahrgenommen wird. Am Ende geht es darum einen Mehrwert zu stiften – für die Teams, die Sponsoren und natürlich für die Fans.

Kommen wir auf euren letzten Coup zu sprechen. Das dänische Counter-Strike-Team Astralis verkündete eine Partnerschaft mit dem Handy-Schutzfolienhersteller Panzerglass. Ihr habt den Deal eingefädelt, wie kam der Kontakt zustande?

AF: Als globale Sport Marketing Agentur sind wir fast überall auf der Welt mit Büros und Kollegen vertreten. Gerade in Skandinavien ist eSports schon lange ein Hype. Insbesondere bei den jungen Zielgruppen sinken die Zuschauerzahlen im TV massiv, die Online-Nutzung steigt weiter. Diesen Wandel erleben wir auch in Deutschland. Die Gleichung für das Zustandekommen eines Sponsoring Deals im eSports ist immer dieselbe. Auf der einen Seite haben wir eSports Organisationen, die eine wichtige Rolle im Leben der meist jungen Fans spielen und diese Stellung auch behalten wollen. Und auf der anderen Seite sind die Marken auf der Suche nach neuen Zielgruppen, die sie über die klassischen Kanäle nicht mehr erreichen. Sich als Marke früh genug mit dem Thema eSports auseinander zu setzen, ist also elementar wichtig, um nicht an Relevanz in dieser Zielgruppe zu verlieren. Wir helfen Unternehmen und Brands dabei die passenden Partnerschaften zu finden, zu konzeptionieren und zu aktivieren.

Hinter Astralis steht eine Gruppe von Investoren, die mehrere Teams betreibt. Die Spieler halten bei den Organisationen Anteile. Welche Rolle spielten die Spieler in den Verhandlungen?

AF: Ein Mitbestimmungsrecht für Spieler in eSports Organisationen ist sinnvoll, um Spieler langfristig an eine Organisation zu binden und gemeinsam zu entwickeln. Es hilft keinem, wenn Spieler alle paar Monate das Team wechseln, weil an anderer Stelle ein neues vermeintlich attraktiveres Angebot lockt. Erfolg entwickelt sich aus konstant harter Arbeit, Teamplay und der Identifikation mit dem Team und den Menschen die einen umgeben. Die bestmöglichen Voraussetzungen dafür schaffen zu wollen, ist nur logisch und konsequent. Der Ansatz von Astralis ist eine spannende Variante das zu gewährleisten.

Die Spieler waren in die monatelangen Verhandlungen nicht direkt involviert, dabei hätten sie nur wertvolle Zeit im Kampf um die Weltranglistenplätze verloren. Am Ende hat jeder im eSports Öko-System seine Aufgabe, unsere ist es u.a. diese Verhandlungen zu führen. Für eine erfolgreiche Partnerschaft ist die richtige Partnerwahl sehr wichtig. Nicht jede Marke passt zu jeder eSports Organisation. Gemeinsame Ziele und Identifikation sind die Voraussetzung für gutes Sponsoring.

In welchen Größenordnungen bewegt sich der Deal und welche Aktivierungen sind geplant?

AF: Die Partnerschaft beläuft sich zunächst auf ein Jahr und umfasst vor allem Streaming- und Social Media Kampagnen. Darüber hinaus wird es eine Reihe an individuellen Panzerglass Handyschutzfolien mit Astralis Logos geben. Zur Bekanntgabe der Partnerschaft wurde zudem eine eigens entworfene Panzerglass Map für CS:GO erstellt, auf der die Profis von Astralis auf spielerische Art gezeigt haben, wie robust Panzerglass ist. Der Deal bewegt sich im unteren bis mittleren sechsstelligen Bereich.

Glaubst Du, dass das Thema eSport weiterhin rasant wächst oder baut sich eine Blase auf?

AF: Global gesehen ist der Gaming Markt aktuell ca.100 Mrd gross. (davon rund 4,5 Mrd. in Deutschland). Der eSports Sektor bildet bislang nur ein Bruchteil des gesamten Gaming Markts, wächst aber jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Im Vergleich zu klassischen Sportarten ist das (noch) klein. Wenn wir aus der Vermarktungsperspektive den traditionellen Sport und eSports vergleichen, fällt auf, dass es neben vielen Gemeinsamkeiten eine ganze Reihe von Unterschieden gibt:

Traditionelle Sportarten wie Fußball, Handball oder Motorsport blicken auf eine lange Geschichte zurück. Jeder Vereinsvertreter bezieht sich gerne auf die „Tradition“. Die heutige Generation der Entscheider ist mit dieser Tradition aufgewachsen, hat dadurch eine emotionale Nähe zu seinem Sport. Meiner Meinung nach werden über 80% aller Sponsorship Entscheidungen insbesondere im Mittelstand in einem erheblichen Maße emotional getroffen. Im eSports ist das anders, oder besser gesagt: Im eSports ist das noch anders. Es gibt auf Entscheiderseite in der Industrie noch wenige, die mit eSports aufgewachsen sind. Entscheidungen im eSports werden anhand von „harten“ KPI getroffen. Wir können aber sicher sein, dass die nächste Generation der Entscheider eine ganz andere Beziehung zum eSports haben wird.

Ein zweiter erheblicher Unterschied sind die Standards. Standards in der Marktforschung, nach denen sich im traditionellen Sport Sponsoring-Pakete und Preismodelle etabliert haben. Aber auch Produktstandards (wie bspw. eine LED Bande oder ein CamCarpet), die es im eSports in vergleichbaren Maße noch nicht gibt. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass die Akzeptanz und Aufmerksamkeit für eine intelligente eSports Kampagne deutlich höher ist, als bei einem vergleichsweise überkommerzialisierten Fußballspiel.

Die zukünftige Herausforderung wird darin bestehen, ein gesundes Ökosystem für alle Beteiligten aufzubauen, an dem auch Teams und Spieler entsprechend partizipieren. Außerdem sind klare Strukturen sowie planbare Turnier- und Ligasysteme notwendig um nachhaltige Investitionen in den Markt zu gewährleisten und eine Blasenbildung zu verhindern.